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Russland - Von Sochi nach Anapa

Reisebericht: Gregors Motorradreise um das Schwarze Meer
17. Mai - 18. Juni 2006

6.6.2006 - Sochi

Mir ist übel. Ich bin seekrank. Der alte Kahn hat natürlich keine Stabilisierung. Trotz der ruhigen See schwankt er langsam, aber ständig.

6.6.2006 - Sochi Um 13 Uhr hätten wir laut Plan ankommen sollen, aber erst um 18 Uhr nähern wir uns dem Hafen von Sochi. Dann müssen wir noch mal zwei Stunden auf See vor dem Hafen warten, bis Platz zum Anlegen frei ist.

Und dann die Zollabfertigung. Ich muss eine Haftpflichtversicherung abschließen, die grüne Versicherungskarte gilt in Russland nicht. Kostet 30$, sagt der Beamte. Aus dem Internet weiß ich, dass das eigentlich nur 20$ kosten sollte. Als er mir dann eine Quittung ausstellt, auf der kein Betrag genannt ist, weiß ich, dass er mich um 10$ bescheißen will. Ich protestiere energisch, verlange eine richtige Quittung, schreibe mir demonstrativ seinen Namen auf. Schließlich wird er weich und gibt mir widerwillig 10$ zurück. Danach rächt er sich, indem er meine Grenzabfertigung so lange hinauszögert, dass ich die Zollbaracke erst um Mitternacht verlassen kann.

Ich fahre noch ein paar hundert Meter und nehme mir dann ein Zimmer im alten Staatshotel Moskwa, mitten in der Stadt. Das hat auch sein Gutes, denn man muss sich in Russland alle drei Tage auf einer Polizeistation oder in einem staatlich lizenzierten Hotel registrieren lassen. Tut man das nicht, kann man Ärger mit der Polizei (sprich: Geldstrafe) kriegen.

7.6.2006 - Lazarevskoje

7.6.2006 - Von Sochi nach Lazarevskoje [ Karte ]   Aus Sochi kommt man nur schwer wieder raus. Aller Verkehr in Küstennähe fließt nach Osten. Was sag ich, fließt, überall ist Stau. Ich biege nach Norden ab, gerate in die Einbahnstraßenfalle der Innenstadt, und bevor ich mich versehe, stehe ich wieder auf der Küstenstraße Richtung Osten, da wo ich vor 45 Minuten schon mal im Stau stand. Ich muss schließlich ganz an den östlichen Stadtrand, und dort erwische ich die Umgehungsstraße, die mich langsam (immer noch im Stau) um die Stadt herum nach Westen führt.

Die Küstenstraße ist sattgrün. Überall ist der Waldwuchs dicht, sodass ich selten eine Aussicht aufs Meer oder auf die Landschaft habe. Die Straße ist kurvig, aber in nur mittelmäßigem Zustand, und der Verkehr ist etwas zu dicht für meine Geschmack.

Ich erreiche Lazarevskoje, einen der populären Badeorte an der russischen Schwarzmeerküste. An dem charakteristischen Kiesstrand ist emsiger Rummel: Bars, Grillrestaurants, Discos, Remmidemmi.

7.6.2006 - Trike in Lazarevskoje 7.6.2006 - Sonnenuntergang in Lazarevskoje Sergej aus Minsk, der aussieht wir Hägar der Schreckliche, betreibt mit seinen Kumpels hier ein florierendes Geschäft. Sie haben ihre dicken Moppeds, eine Honda Valkyrie, eine Goldwing, und einen bizarren, 3-sitzigen Trike Eigenbau an der Strandpromenade geparkt, und jeder, der ein Erinnerungsfoto (Tante Tatjana und Onkel Oleg auf dem Titanic-Rad) machen will, muss ein paar Scheine bezahlen. Das ist so einträglich, dass die Jungs gut davon leben können und sogar in nur drei Jahren ihre hier sündhaft teueren Luxusdampfer abbezahlt haben.

Sergej vermittelt mir ein gutes Quartier. Da gibt es dann abends einen üppigen Imbiss, Wurst, Käse, Brot, und den süßlichen lokalen Rotwein bis zum Abwinken. Alles umsonst.

8.6.2006 - Gelenjik

[ Karte ]   Sieben Uhr früh, ich sitze auf dem Bett und starre durchs Fenster. Es gießt. Ich warte. Es schifft immer stärker. Deprimiert lege ich mich wieder ins Bett. Als ich um 10 Uhr aufwache, hat der Regen aufgehört. Ich starte Richtung Nordwesten.

Russen auf der Reise scheinen nicht zu frühstücken. Gestern Abend hat der Zimmerwirt mich reich mit Speis und Trank beglückt, aber ein Frühstück anzubieten, kommt ihm nicht in den Sinn. Es gibt auch keine Cafes so wie wir das kennen. Also fahre ich bis zum Mittag mit leerem Magen. Dann finde ich ein Restaurant am Straßenrand. Ich nehm mir eine mit Kraut gefüllte Aubergine, und einen Krautwickel gefüllt mit - Kraut. Schmeckt aber gar nicht mal schlecht. Dazu zwei türkische Kaffee, und die Welt ist wieder in Ordnung.

8.6.2006 - Alte Villa zwischen Lazarevskoje nach Gelenjik Die Städte an der Russischen Schwarzmeerküste sind eine einzige Tourismus-Maschine. Das ist nicht verwunderlich, sind doch diese 300 Km Küste die einzige in Russland, die ins Klischee von Süden, Sonne, Strand passen. Also drängelt sich hier alles. Schon jetzt, so früh in der Saison, ist es ziemlich voll. Entsprechend wild ist auch der Bauboom. Manche aufstrebende Ferienorte bestehen zu 75% aus Rohbau. Und die Preise. Für ein gutes Essen wird man abends locker 15 Euro los, ein Privatzimmer kostet 30, im Juni-August 50 EUR. Und die Hotels in Strandnähe verlangen ganz cool auch schon mal 60 oder 80 EUR. Das mag für Mitteleuropäer ganz OK klingen, für Russische Verhältnisse ist es voll die Abzocke.

Manchmal kommt man durch ein altes Dorf, wo es noch ein paar Bauernhäuser im alten Stil gibt.

Die Straße ist noch nass und der Verkehr heftig. Drei mal passiere ich stationäre Polizeiposten. Man muss sich das etwa so vorstellen, wie eine Mautstelle an der italienischen Autobahn. Ein kurzes Stück überdachte Straße mit kleinen Baracken neben der Fahrbahn, offene Schranken. Dazu einige gelangweilt bis grimmig dreinschauende Sheriffs mit Gummiknüppel und Schießeisen. Jeder bremst ab, im Schritttempo vorbei schleichend erweist man der Staatsmacht seine Ehrfurcht. Russland mag den Wandel vom Kommunismus zum Kapitalismus vollzogen haben, aber ein Obrigkeitsstaat ist es nach wie vor.

8.6.2006 - Gelenjik, Denkmal der Verteidiger des Sowjetreiches 8.6.2006 - Gelenjik, Lenin Am frühen Nachmittag erreiche ich Gelendjik. Bislang ist dies der sauberste und Kultivierteste Bade- und Kurort an der russischen Schwarzmeerküste. Es gibt hier eine lange, schattige Strandpromenade ohne Autoverkehr, einen roten Sandstrand, eine weite Bucht und teure Zimmer. Nicht nur teuer, die wollen mir gar kein Zimmer geben. Für nur eine Nacht gibt es hier an diesem Wochenende nichts. Ab morgen ist hier das große Sommerfestival, da kommen Wochenendgäste in Scharen von weit her.

Nach langem Suchen finde ich ein sauberes, aber völlig luxusfreies Zimmer für 15 Euro, 20 Minuten Fußmarsch vom Strand entfernt.

Mit der Strandpromenade läuft das haargenau so, wie ich es im letzten Jahr auf der Krim erlebt habe. Jedes Restaurant, jede Bar hat "Live" Musik. Meistens ein Sänger mit MIDI-Computer. Wo man auch geht und steht, überlagern sich zwei bis drei Tonquellen dieser Akustik-Kacke. Bumm Chacka Bumm Bumm.

Das Zimmer ist einigermaßen OK, aber das Bett ist Scheiße. Ich schlafe sehr schlecht. Dafür ist das Frühstück am nächsten Morgen gut und ohne weitere Kosten. Es gibt Speck, Eier, Brot, und guten Kaffee.

9.6.2006 - Anapa

[ Karte ]   Ich nähere mich Novorussijsk, aber je näher ich komme, desto weniger mag ich hier anhalten. Eine Hafenstadt, riesengroß, verstopft von Autos.

9.6.2006 - Strand von Anapa Ich erreiche schließlich Anapa. Eine letzte Nacht in den Bade- und Kurstädten der russischen Schwarzmeerküste. Ein Spaziergang am roten Sandstrand, ein Bad im Meer. In der Pizzeria an der Uferstraße spricht mich Piotr in bestem Deutsch an. Die Pizza, der Orangensaft und der Kaffe gehen auf seine Rechnung, da lässt er sich nicht lumpen. Er kommt aus Regensburg, und ist Kasachstan-Deutscher. Jetzt lebt er hier und schlägt sich mit kleinen Geschäften durch, Autohandel, Vermittlung von Immobilien, sagt er.

Am Abend sitze ich beim Bier in der Sports-Bar in der Innenstadt. Die Fußball-WM hat begonnen. Deutschland schlägt Costa Rica 4:2. Schönes Spiel.

10.6.2006 - Richtung Ukraine

Es hat noch nie so geregnet wie heute Morgen. Wieder einmal verkrieche ich mich im Bett und schlafe den Regen aus. Um 11 Uhr hat der Wolkenbruch soweit nachgelassen, dass ich mich aufs Mopped traue.

Bereits nach 50 m Fahrt hält mich ein Polizist an. Die übliche Kontrolle, Pass, Führerschein, Zollformular. Ich muss mich wieder aus dem Regenanzug pellen, um an den Brustbeutel zu kommen. Man muss diese Kontrollen mit Humor nehmen, sie sind so unausweichlich wie das Wetter, und man hat, wenn man heim kommt, was zu erzählen. Jetzt, im strömenden Regen, versagt mein Humor allerdings. Ich verweigere dem lästigen, uniformierten Arschloch den small talk. Atkuda? Kuda? Nje Panimaju!

100 verregnete Kilometer von hier, auf der Tschuschka-Landzunge am westlichsten Ende der russischen Schwarzmeerküste, liegt der Hafen Port Kavkaz. Dort gibt es eine Fähre in die Ukraine.

10.6.2006 - Blick von der Fähre über die Straße von Kerch Die Grenzformalitäten vor der Fähre sind einigermaßen zügig, sie dauern nur eine Stunde. Aber prompt gibt es ein Problem mit meinem Registrierungsformular. Ich war vier Tage in Russland, habe aber nur einen Registrierungsstempel, den vom Hotel Moskwa in Sochi. Ich stelle mich dumm und der uniformierte Finsterling sieht von Strafmaßnahmen ab.

Von hier in die Ukraine ist es nur ein Katzensprung über die Straße von Kerch, die Meerenge, die das Asovsche Meer mit dem Schwarzen Meer verbindet.

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